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Die Sorgen eines Ultra-Läufers

Als Freund der Ultralangstrecken gehöre ich unter den Läufern zu einer ziemlich kleinen Minderheit. Dies wird klar, wenn man bedenkt, daß selbst der größte österreichische Ultra-Bewerb nur knapp über hundert Einzelläufer aufweist. Schätzungen zufolge gibt es weltweit nur etwa 15.000 Läufer, die regelmäßig (d.h. mindestens einmal pro Jahr) an Ultra-Veranstaltungen teilnehmen - eine Zahl, welche locker von den Startern eines einzigen City-Marathons übertroffen wird.

Diese Tatsache zeigt sich insbesondere in Diskussionen über den Aufbau meines Trainings, welche sich naturgemäß von Zeit zu Zeit entwickeln. Wenn sich dann herausstellt, daß meine wöchentlichen long runs - je nach Jahreszeit - Distanzen von bis zu 50 Kilometern erreichen, beginnen meine Gesprächspartner, sich Sorgen um mich zu machen. Man erklärt mir dann, daß ich mich mit meinem - angeblich völlig planlosen - Training sicherlich nicht "verbessern" kann und mich außerdem ruinieren werde.

Dabei wird aber übersehen, daß mein Training (insbesondere bei den long runs) einem genauen Plan folgt, den ich aufgrund meiner Erfahrungen und Ziele selbst erstelle und laufend an meine aktuelle Situation anpasse. Ich achte peinlichst genau auch auf kleinste Signale meines Körpers, um eine Überbeanspruchung (und deren unangenehme Folgen) zu vermeiden. Am Ende jeder Saison gibt es deshalb auch eine ein- bis zweimonatige "Pause", in der ich nur relativ kurze Strecken laufe. Danach wird die Distanz des long run wieder langsam neu aufgebaut.

Immer wieder werde ich auch mit den verschiedensten Lehrbuch-Weisheiten konfrontiert, von denen ich hier einige kurz erläutern und kommentieren möchte:

"Läufe mit einer Dauer von mehr als drei Stunden sind kontraproduktiv."

Es mag durchaus sein, daß Trainingseinheiten, die merklich länger als der angestrebte Wettkampf dauern, nicht sinnvoll sind. Da die Marathondistanz die längste allgemein akzeptierte Wettkampfdistanz ist und die meisten Läufer diese in einer Zeit von drei bis dreieinhalb Stunden bewältigen wollen, ist dies für viele ein passender Richtwert. Es konnte mich bis jetzt aber noch niemand davon überzeugen, daß diese Länge für die Vorbereitung auf einen 12- oder 24-Stunden-Bewerb ausreichen sollte. Schließlich käme der Körper dann beim Wettkampf in eine Situation, die er im Training nicht im entferntesten "erlebt" hat. Ist es nicht Zweck eines jeden Trainings, genau dies zu verhindern!?

"So viele Wettkämpfe sind ungesund."

Ich nehme auch an vielen "kurzen" Wettkämpfen teil, wobei ich nicht immer auf eine absolute Bestzeit aus bin. Abgesehen davon, daß ich die Wettkampf-Atmosphäre liebe, ist auch dies ein Bestandteil meines Trainings. Schließlich kann man eine Laufveranstaltung hervorragend als Tempolauf verwenden.

"Die wöchentlich gelaufene Distanz darf um höchstens zehn Prozent pro Woche erhöht werden."

Ganz meine Meinung. Allerdings muß für die Bestimmung der wöchentlich gelaufenen Distanz immer der Mittelwert aus den letzten drei bis vier Wochen herangezogen werden. Einzelne Ausreißer sind durchaus zulässig, wenn sie durch "schwächere" Wochen ausgeglichen werden.

"Die Distanz des längsten Trainingslaufes darf um höchstens zehn Prozent pro Woche erhöht werden."

Stimmt. Es gilt jedoch dasselbe wie bei der vorigen Regel.

"Für jeden im Wettkampf gelaufenen Kilometer ist ein Tag Ruhe nötig."

Dies ist mein absoluter Favorit! Ob ein 24-Stunden-Läufer wohl nach seinem Wettkampf tatsächlich zweihundert (oder mehr) Tage Lauf-Pause machen soll?

"Vom Ultra-Training wird man langsam."

Selbst wenn dies tatsächlich der Fall sein sollte: einen Ultra-Läufer stört es vielleicht gar nicht, wenn er über kurze Distanzen etwas langsamer wird. Abgesehen davon bin ich der Meinung, daß viele Ultra-Läufer nur deshalb langsamer werden, weil sie das Geschwindigkeitstraining vernachlässigen. Das ist ja bei der für die langen Trainingsläufe erforderlichen Zeit durchaus verständlich...

Es ist seltsam, daß sich kaum einer, der solche Ratschläge gibt, jemals selbst für Ultra-Distanzen interessiert hat oder mit anderen Ultra-Läufern zu tun gehabt hat. Mir ist unklar, woher die Menschen die Überzeugung nehmen, daß ihr Wissen und ihre Erfahrung für das Ultra-Training ausreichend sind. Bei Laufzeiten von vielen Stunden kommen Dinge ins Spiel, die einen Marathonläufer niemals betreffen würden - man könnte den Ultralangstreckenlauf daher durchaus als eigenständige Sportart bezeichnen, für die eben auch eigene "Gesetze" gelten.


© Pascal Le Bail. Letzte Änderung: 27. 7. 2004