Wörschacher 24-Stunden-Benefizlauf, 20. und 21. Juli 2002
Mein vorrangiges Ziel für den diesjährigen Wörschacher 24-Stunden-Lauf war das Durchhalten bis zum Schluss. Dies ist mir ja im Vorjahr auf Grund des heißen Wetters und meiner fehlerhaften Einstellung darauf nicht gelungen. Natürlich hatte ich mir auch entfernungsmäßig ein Ziel gesetzt. Wie wohl nicht schwer zu erraten ist, wollte ich die begehrte Zweihundert-Kilometer-Marke erreichen.
Die wichtigste Neuerung bei der heurigen Auflage der Veranstaltung war die um etwa einen Kilometer verlängerte Strecke. Diese nunmehr über 2,3 Kilometer lange Runde wurde bereits im Jahr 1999 getestet, allerdings mit wenig Erfolg: es hagelte nach dem Lauf eine Menge an Beschwerden, vor allem von den EinzelläuferInnen. Die wichtigsten Einwände betrafen die mangelnde Attraktivität des hinzugekommenen Streckenteiles sowie die zusätzlichen Steigungen.
Der Veranstalter stand also heuer unter ziemlichem Druck: einerseits war eine Streckenverlängerung auf Grund der jährlich wachsenden Teilnehmerzahl unausweichlich, anderseits möchte man natürlich die treuen "Stammkunden" nicht vergrämen. Die Alternative wäre, einen großen Teil der Anmeldungen abzuweisen. Dies wäre aber wohl kaum im Interesse des Veranstalters gewesen, denn schließlich möchte man ja entsprechend dem Benefizgedanken dieses Laufes möglichst hohe Einnahmen erzielen...
Wie im Vorjahr fanden bereits am Freitag abend der 7-km-"Ultra-Sprint" sowie der Nacht-Halbmarathon statt. Auch diese Bewerbe wurden auf der neuen 2,3-km-Runde ausgetragen. Die Halbmarathon-Siegerzeit von 1:17:51 (Helmut Hochhauser) ließ bereits vermuten, dass es sich nicht gerade um eine "schnelle Strecke" handelte.
Nach einer leider nicht besonders ruhigen Nacht im Wörschacherhof genoss ich ebendort ein ausgiebiges Frühstück. Danach traf ich meinen Freund Harald Oswald (ebenfalls Teilnehmer am 24-Stunden-Lauf), welcher dafür gesorgt hatte, dass wir für die Dauer des Laufes ein (ansonsten leer stehendes) direkt an der Laufstrecke befindliches Haus (!) benützen durften. Solch ein Luxus-Camp hat nicht bald jemand...
Um 11:30 Uhr fand die übliche Läuferbesprechung statt, bei der man auch diesmal man nichts wirklich Neues erfuhr. Danach blieb noch genügend Zeit, um sich für den Lauf einzukleiden und die nötigen Utensilien so zu platzieren, dass man sie während des Laufes bei Bedarf auch tatsächlich finden konnte.
Kurz vor dem Start sammelten sich alle EinzelläuferInnen sowie die StartläuferInnen der Vierer- und der Mega-Staffeln in der Wörschacher Hauptstraße. Der pünktlich um 14 Uhr bei herrlichem Sommerwetter erfolgte Start dieser knapp dreihundert Teilnehmer bot sicherlich ein für einen 24-Stunden-Lauf einmaliges Bild.
Zum Thema Sommerwetter: auch wenn die Temperatur (mit etwa 30 Grad) nicht ganz so hoch war wie im Vorjahr, war dennoch etwas Vorsicht angebracht. Wie üblich trank ich vor dem Start einen halben Liter Elektrolytgetränk. Ich kleidete mich sommerlich - mit Singlet, Short und einer "Legionärskappe" mit Nackenschutz.
Mein Plan für den Lauf sah folgendermaßen aus: wie im Vorjahr nahm ich mir für die ersten zwölf Stunden eine Distanz von 110 Kilometern vor, was einer Geschwindigkeit von etwa 6:30 Minuten pro Kilometer und einer durchschnittlichen Rundenzeit von ungefähr 15:10 Minuten entspricht. Für die zweite Hälfte der Zeit wünschte ich mir daher zumindest 90 Kilometer.
Tatsächlich schaffte ich es, durch Einlegen großzügig bemessener Gehpausen an sämtlichen Steigungen der Runde bereits von Anfang an meinem Plan nicht wesentlich davonzulaufen. Meine Rundenzeiten lagen in der gesamten ersten Hälfte des Laufes zwischen 14:40 und 15:40 Minuten. Um diese Zeit zu halten, mußte ich allerdings ab etwa der sechsten Stunde einen Teil der Gehpausen weglassen. Ich ging in jeder Runde aber immer noch etwa zwei Minuten lang.
Die Atmosphäre entlang der Strecke war einmalig - es gab wie immer an mehreren Plätzen gute Musik, und die LäuferInnen wurden sowohl von den vielen Betreuern als auch von dem sehr zahlreich vorhandenen Publikum auf Trab gehalten. Auch "in der Au", also auf dem neu hinzugekommenen Streckenteil, war zu jeder Zeit viel "Action" im Gange, sodass man sich nie allein gelassen fühlte. Der Veranstalter hatte die Wünsche der LäuferInnen offenbar ernst genommen.
An Flüssigkeit nahm ich pro Runde zwei (nicht immer ganz volle) Becher Elektrolytgetränk zu mir, was eine Menge von etwa 1,2 Litern pro Stunde ergab. Dies war bewusst etwas mehr als im Vorjahr, wo ich vermutlich zu wenig getrunken hatte. Ich reduzierte diese Menge diesmal auch in der Nacht nicht. Ich hatte keine Schwierigkeiten damit, so viel zu trinken, und fühlte mich dabei auch nicht "voll". Alle zwei Stunden gab es etwas zu essen - abwechselnd einmal Gel und einmal real food, also Nudeln von der Verpflegungsstelle...
In den Abendstunden passte ich meine Kleidung langsam der (bis auf etwa 10 Grad) sinkenden Temperatur an. Zuerst ersetzte ich das Singlet durch ein kurzärmeliges Leibchen, später kam ein langärmeliges darüber, und ich zog mir eine lange Tight an. Mit dem Eintreffen des in Wörschach obligatorischen Bodennebels um etwa drei Uhr folgte dann auch noch eine Jacke. Ich wartete mit dem Anlegen einer weiteren Schicht jedenfalls niemals so lange zu, bis mir tatsächlich kalt wurde...
Mittlerweile waren bereits mehr als zwölf Stunden vergangen. Ich fühlte mich hervorragend, und es gab nicht die geringsten Schwierigkeiten. Erstmals hatte ich bei einem 24-Stunden-Lauf keine Verdauungsprobleme. Also ging es "flott" weiter - zumindest kam es mir so vor. Die Rundenzeiten wurden aber doch länger und erreichten 16 Minuten. Dies störte mich nicht, denn es entsprach ohnehin meinen Erwartungen. Das Laufen in der Nacht bereitete mir wesentlich mehr Freude als zuvor in der Hitze des Tages. Ich war fast ein bisschen traurig, als ich über den Bergen die ersten Lichtstrahlen des anbrechenden Tages erblickte.
Aber ein paar Stunden dauerte es ja noch, bis die Sonne tatsächlich hervorkommen und mit ihrer Hitze die LäuferInnen auf eine harte Probe stellen sollte. In diesen frühen Morgenstunden wurde ich sogar etwas schneller und brachte wieder einige Runden in unter 16 Minuten zustande. Gegen acht Uhr begann die Sonne dann mit dem Heizen, sodass wieder eine Umkleide-Pause fällig wurde. Diesmal entledigte ich mich meiner drei Schichten auf einmal und legte wieder sommerliches Gewand an.
Nun wurde ich aber langsamer. Einige 16-Minuten-Runden folgten, und bald war ich bei 17 Minuten angelangt. Obwohl ich keine Schmerzen oder andere "objektiv" feststellbare Schwierigkeiten hatte, stellte sich fünf Stunden vor dem Schluss ein immer stärker werdender Wunsch nach einer Pause ein. Allerdings wusste ich, dass ich bereits auf dem siebenten Gesamtrang lag und auf dem besten Weg war, die 200-Kilometer-Schallmauer zu durchbrechen. Und es war nicht einmal knapp.
Ich versuchte immer wieder, mir einzureden, dass eine völlig unnötige Pause nun wirklich nicht angebracht wäre. "Wer weiß, wann ich es wieder einmal schaffe, einen 24-Stunden-Lauf ohne Verdauungs- und andere Probleme zu überstehen?", sagte ich mir. Die paar Stunden würde ich es ja wohl noch aushalten, oder etwa nicht? Sogar die Sommerhitze empfand ich diesmal (im Gegensatz zum Vorjahr) nicht als übermäßig unangenehm - warum sollte ich also pausieren?
Drei Stunden lang (in denen sich mein Tempo weiter verringerte) konnte ich mich durch ständiges Wiederholen obiger Gedanken noch "über Wasser halten", dann war es aber vorbei. Wie ferngesteuert betrat ich mein "Camp", bei dem es sich ja (wie bereits erwähnt) um ein Haus handelte, in dem sich nun außer mir niemand anderer befand. Ich setzte mich kurz nieder, bemerkte, dass ich nahe am Einschlafen war, und stand gleich wieder auf, in der Hoffnung, doch wach bleiben zu können. Anscheinend setzte ich mich dann aber nochmals, denn irgendwann fand ich mich in sitzendem Zustand wieder, sah auf meine Uhr und stellte fest, dass meine Pause bereits 25 Minuten gedauert hatte.
"Nun aber nichts wie weg", sagte ich mir und lief los. Es waren nun nicht einmal mehr zwei Stunden bis zum Schluss. Ich machte anfangs noch an den selben Stellen wie bisher meine Gehpausen und bemerkte dabei, dass sich meine Rundenzeiten von zuvor über 18 Minuten wieder auf deutlich unter 18 Minuten verkürzt hatten, und das trotz der gestiegenen Temperatur. Kurz nach dem Beginn der letzten Stunde hatte ich die zweihundert Kilometer vollendet. Das gab mir offenbar so viel Auftrieb, dass ich ab diesem Zeitpunkt die Gehpausen völlig wegließ und wieder auf Rundenzeiten von unter 16 Minuten kam. Schließlich könnten sich ja durchaus noch fünf weitere Kilometer ausgehen...
Ich wurde immer schneller, und zur Krönung lief ich die letzte Runde in 14:37 Minuten - dies war somit die schnellste Runde meines gesamten Laufes. Nach weiteren fünf Minuten ertönte die Schluss-Sirene, und ich konnte mir sogar meine Gesamtdistanz korrekt ausrechnen: ich hatte 205,4 Kilometer geschafft.
Praktischerweise kam ich etwa 50 Meter von meinem "Basislager" entfernt zu stehen, sodass der Weg dorthin nicht weit war. Harald traf ebenfalls bald ein. Wir tranken und aßen eine Kleinigkeit. Danach packte ich meine Habseligkeiten zusammen und zog mich in mein Zimmer zurück, um zu duschen. Dabei stellte ich auch erfreut fest, dass ich keine nennenswerten Blasen oder sonstigen äußerlichen Verletzungen abbekommen hatte.
Bei der Siegerehrung erfuhr ich, dass ich meinen siebenten Gesamtrang halten konnte und Dritter in meiner Altersklasse war. Sehr erfreut nahm ich daraufhin meine Trophäe entgegen. Nach kurzen Gesprächen mit einigen Freunden wollte ich mich zwecks Heimfahrt in Richtung Bahnhof begeben, aber es fand sich jemand (Christian Chmel), der mich mit dem Auto nach Hause führte. Dies war sehr angenehm, da ich mir dadurch einen beträchtlichen Gehweg ersparte.
Die Tage danach
Auch nach dem Lauf bestätigte sich, dass ich mich offenbar ganz gut vorbereitet hatte. Denn ich konnte im Vergleich zu meinen bisherigen 24-Stunden-Läufen einige Fortschritte feststellen. So war dies besipielsweise das erste Mal, dass ich in der Nacht nach einem Ultra-Bewerb gut schlafen konnte. Was aber noch viel wichtiger ist: ich hatte mich bereits drei Tage danach so weit erholt, dass ich keinerlei Nachwirkungen des Laufes (Steifigkeit der Beine etc.) mehr verspürte. Obwohl mir natürlich klar ist, dass die Erholung von einem 24-Stunden-Lauf viele Wochen dauert, ist der Zeitpunkt dieser "subjektiven" Erholung diesmal erstaunlich schnell gekommen.
Abschließend kann ich festhalten, dass ich offenbar noch immer auf dem richtigen Weg bin. Da mir derartige Veranstaltungen (und auch das Training dafür) weiterhin Spaß machen, bin ich schon gespannt, was die Zukunft bringen wird.