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Straßenlauf auf den Großglockner, 3. Juni 2001

Vorweg zehn Dinge, die ich an diesem Tag gelernt habe:

  1. Ich bin kein Bergläufer.
  2. Auf 2.400 Metern Seehöhe kann es ganz schön kühl sein.
  3. Ich bin kein Bergläufer.
  4. Handschuhe sind eine geniale Erfindung.
  5. Wasserfeste Jacken ebenfalls.
  6. Dies gilt übrigens auch für wasserdichte Schuhe.
  7. Ich bin kein Bergläufer.
  8. Verlasse dich nie darauf, im Ziel rasch dein wärmendes Gewand und/oder eine beheizte Räumlichkeit vorzufinden. Besonders dann nicht, wenn es draußen kalt ist und schneit.
  9. Ich bin kein Bergläufer, und schließlich:
  10. Ich bin kein Bergläufer.

Aber nun zu den Details:

Als ich im November des Vorjahres erfuhr, daß es heuer den 1. Straßenlauf auf den Großglockner geben würde (14,2 Kilometer; 1.420 Höhenmeter), war ich davon so begeistert, daß ich mich sofort anmeldete und für das Wochenende ein Quartier reservierte - obwohl ich noch nie zuvor an einem Berglauf teilgenommen hatte. Mehr als ein halbes Jahr später war es endlich so weit: am Vortag des Rennens kam ich gemeinsam mit zwei Freunden in Fusch an der Glocknerstraße an.

Wir besichtigten vorerst unsere Zimmer und suchten dann am frühen Nachmittag - bei ziemlich sonnigem Wetter - das Festzelt auf, wo wir (wie auch die ca. 1.200 weiteren Teilnehmer des Laufes) unsere Startnummern abholten. Bei dieser Gelegenheit bekamen wir auch einen numerierten Sack, den wir mit denjenigen Kleidungsstücken, die wir im Ziel vorfinden wollten, wieder abgeben mußten. Da aufgrund der Wetterprognose mit einer Abkühlung zu rechnen war (und das Ziel sich in einer Höhe von mehr als 2.500 Metern befand), stopfte ich unter anderem eine warme Jacke und eine passende Trainingshose in meinen viel zu kleinen Sack. Diesen gab ich bei dem dafür vorgesehenen LKW ab, wo er gemeinsam mit vielen anderen Säcken in eine Kiste gestopft wurde.

Da bis zu der um 18 Uhr beginnenden Pasta-Party noch genügend Zeit war, besuchten wir (mit dem Auto) den sieben Kilometer entfernten Startbereich bei der Mautstelle Ferleiten (Seehöhe: 1.151 Meter) und machten einen ungefähr einstündigen Spaziergang auf einem ebenen Weg, von welchem aus man schon einen Eindruck von den ersten zwei Kilometern der Laufstrecke (und von der Schönheit der Bergwelt) gewinnen konnte. Dabei zeigten sich auch erste Anzeichen einer Wetterverschlechterung: es wurde windig, und massive Wolken zogen auf.

Als wir wieder in Fusch angelangt waren, wollten wir im Festzelt unseren Gutschein für ein Nudelgericht "nach Wahl" einlösen. Wir stellten uns einige Zeit in die sehr lange Warteschlange und extrapolierten dann, daß es wohl mindestens eine Stunde dauern würde, zu deren Beginn vorzudringen. So lange wollten wir doch nicht stehen. Wir machten uns daher auf den Weg in unser Zimmer und mußten dabei feststellen, daß es mittlerweile zu schütten begonnen hatte. Gegen 21 Uhr besuchten wir nochmals das Festzelt und kamen nach einer Wartezeit von ungefähr 15 Minuten tatsächlich zu einer sehr großzügig bemessenen Portion Spaghetti mit Salat. Auswählen (wie auf dem Gutschein in Aussicht gestellt) durften wir allerdings nichts...

Als ich am nächsten Morgen aufwachte, hörte ich bereits am Geräusch der vorbeifahrenden Autos, daß es noch immer regnete. Immerhin schien sich der Wind mittlerweile gelegt zu haben. Beim Frühstück erfuhren wir (aus eher unsicheren Quellen), daß die Temperatur im Startbereich fünf Grad und im Ziel "unter Null" betrug. Angeblich gab es im Zielbereich keinen Niederschlag.

Eine Stunde vor dem Start fuhren wir also bei strömendem Regen wieder mit dem Auto in Richtung Ferleiten los. Schon nach zwei der sieben Kilometer standen wir (nicht ganz unerwartet) im Stau. Wir befürchteten schon Schlimmes, aber nach einigen Minuten ging es plötzlich wieder ziemlich zügig voran. Nach ungefähr zwanzig Minuten erreichten wir den zum Parkplatz umfunktionierten "Vorplatz" der Mautstelle Ferleiten, wo wir sofort an ein freies Plätzchen gelotst wurden. Das Personal meisterte die Unterbringung der vermutlich fast tausend PKW vorzüglich.

Es ist wohl überflüssig, zu erwähnen, daß es noch immer schüttete. Die Temperatur war mittlerweile auf vier Grad gesunken. Ich traf meine letzten Entscheidungen bezüglich der Bekleidung für den Lauf (drei Funktionsleibchen übereinander, eine "wasserfeste" Jacke und eine lange, aber dünne Tight). Was den Oberkörper betrifft, ist dies die wärmste Ausstattung, die ich je bei einem Wettkampf verwendet habe. Selbst bei minus fünf Grad bin ich bisher in Wettkämpfen immer ohne Jacke gelaufen und hatte keine Probleme damit. Aber die Kombination aus Kälte und Nässe machte mich eben doch vorsichtig. Das einzige, was mir fehlte, waren Handschuhe. Obwohl ich mir sicher war, sie eingepackt zu haben, konnte ich sie nicht finden.

Eine halbe Stunde vor dem Start stieg ich aus dem Auto aus, um mich (wie auch viele andere Läufer) aufzuwärmen. Mir wurde trotz des anfangs unangenehmen Wetters schnell warm, und bald störte mich der Regen überhaupt nicht mehr. Zum Glück war es nicht windig. Im Startbereich wurde durchgesagt, daß aufgrund der Schnee-Situation das Ziel von der 2.572 Meter hohen Edelweißspitze zum 2.409 Meter hoch gelegenen Fuschertörl herunter verschoben wurde, wodurch sich die Laufstrecke um ungefähr 1,5 Kilometer verkürzte. Die Temperatur im Ziel wurde mit minus fünf Grad angegeben.

Nachdem einige Läufer noch weitere Kleidung für den Zielbereich in einem zusätzlich bereitgestellten LKW abgegeben hatten, erfolgte pünktlich um 9:30 Uhr der Startschuß. Viele Teilnehmer schoben (trotz Netto-Zeitnahme) in einer mir bisher noch nie untergekommenen Weise von hinten an; aufgrund der Breite der Straße durfte ich aber nach ungefähr zwanzig Sekunden dann doch "selbst" laufen...

Die Straße zeichnet sich durch eine fast kontinuierliche Steigung von etwa zehn Prozent aus; es gibt kein Gefälle und nur äußerst kurze ebene Passagen. Ich schätze, daß die ebenen Stücke insgesamt nicht mehr als zweihundert Meter ausmachen. Ich hatte mir einen Schnitt von ungefähr acht Minuten pro Kilometer vorgenommen. Nachdem ich für die ersten beiden Kilometer aber ziemlich genau 14 Minuten benötigt hatte, legte ich eine kurze Gehpause ein. Denn ich wußte, daß ich dieses Tempo keinesfalls durchhalten konnte.

Bei Kilometer 2 mischten sich auch die ersten Schneeflocken zwischen die Regentropfen, und es dauerte nur wenige Minuten, bis der Regen völlig in Schneefall übergegangen war. Es waren schöne große Flocken - eigentlich genau das, was ich mir als Ausgleich für den in Wien praktisch nicht vorhandenen letzten Winter gewünscht hatte. Ich fühlte mich sehr gut und war sogar froh darüber, keine Handschuhe zu tragen...

Bereits bei Kilometer 5 begann der Schnee, liegen zu bleiben. Dies führte zu einer sehr romantischen winterlichen Stimmung ;-) Leider entstand dabei auf der Straße eine glitschige Schneedecke (ganz anders, als ich es von frischem Schnee gewohnt bin), auf der das Laufen ziemlich unangenehm war. Nicht nur deshalb mußte ich des öfteren Gehpausen einlegen; mein über ein halbes Jahr durchgezogenes wöchentliches Kahlenberg-Training war wohl doch zu wenig spezifisch - aber wo soll ich denn regelmäßig für 1.400 kontinuierliche Höhenmeter trainieren?

Mittlerweile war von der Landschaft nichts mehr zu sehen. Wohin auch immer ich blickte, alles war weiß. Nur die Straße und die Läufer waren noch zu erkennen. Bei Kilometer 8 (auf etwa 2.000 Metern Höhe) gab es eine Verpflegungsstelle, die eisgekühlte Iso-Getränke anzubieten hatte. Sehr erwärmend ;-) Langsam begann ich, mich doch nach meinen Handschuhen zu sehnen. Meine Hände waren ziemlich ausgekühlt, und es nützte auch nichts, sie in den kalten und völlig durchnäßten Ärmeln zu verstecken.

Auf den nächsten Kilometern folgten einige merkwürdige Begegnungen. Zuerst mußte ich einen mit Sommerreifen dahinrutschenden Kleinbus einer bekannten österreichischen Rundfunkanstalt überholen - ein nicht ganz ungefährliches Unterfangen, denn das Auto schwenkte meterweit aus. Dann näherte sich von hinten ein Schneepflug. Ich staunte nicht schlecht, als ich sah, daß sich einige Läufer an diesem Fahrzeug anhielten und von ihm ziehen ließen. Ich würde dies zumindest als unsportlich bezeichnen. Der Straßenzustand besserte sich durch den Räumungsversuch jedenfalls nicht merklich.

Mit der Zeit kamen immer mehr Radfahrer entgegen, welche nach ihrem (vor dem Lauf stattgefunden habenden) Bewerb wieder nach Ferleiten zurück fuhren oder gingen. Sie feuerten uns Läufer heftigst an. Dies war wohl auch nötig, denn nun hatte sicherlich bereits die Hälfte der (für mich sichtbaren) Teilnehmer von Laufen auf Gehen umgeschaltet. Auch bei mir wurden die Gehpausen immer länger...

Ab Kilometer 11 wurde mir kalt. Die gesamte Kleidung fühlte sich wie ein Eisbrocken an. Die letzten eineinhalb Kilometer kamen mir sehr lang vor; irgendwann hörte ich aber dann doch den Sprecher aus dem Zielbereich, und bald überquerte ich nach 12,7 Kilometern mit einer Zeit von 1:43:13 die Ziellinie.

Nun wollte ich sofort meinen Kleidersack haben. Beim Kleider-LKW sagte man mir: "Des liagt scho do unt'n". Ich drehte mich um und glaubte zu träumen: tatsächlich war hier eine Unzahl der weißen Kleidersäcke im Schnee ausgestreut worden. Wohlgemerkt: es schneite noch immer stark. Viele Läufer hatten große Schwierigkeiten, ihre Kleidung zu finden. Zudem war der LKW, der im Startbereich noch zusätzlich Kleidungsstücke aufgenommen hatte, mittlerweile verschollen.

Zum Glück fand ich meinen Sack schnell. Da ich es mit meinen eingefrorenen Fingern weder schaffte, den am Sack befindlichen Knoten zu öffnen, noch den Sack zu zerreißen, suchte ich schnellstmöglich die Hütte auf, um mich aufzuwärmen. Diese war natürlich völlig überfüllt, aber für mich fand sich gerade noch ein Platz. Leider war es mir hier aber nicht möglich, mich abzutrocknen und komplett umzuziehen, sodaß ich mir nur Pullover, Jacke und Hose überzog.

Danach besuchte ich die Verpflegungsstelle, die warmen Tee, Brot und Süßigkeiten zu bieten hatte. Im Laufe der folgenden eineinhalb Stunden hielt ich mich noch im Zielbereich auf (mit einigen Aufwärmversuchen in der Hütte), um die weiteren hereinkommenden Läufer zu sehen. Aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse fuhren die Busse zum Rücktransport ohnehin erst mit mehr als einstündiger Verspätung ab (die Straße mußte erst "gesalzen" werden).

Mit meinem Ergebnis bin ich (unter Berücksichtigung des fehlenden spezifischen Trainings) zufrieden. Ich bin mir aber sicher, daß mit passendem Training noch einiges mehr möglich gewesen wäre. Allerdings faszinieren mich Bergläufe derzeit doch nicht so sehr, weshalb ich mein Training momentan wohl nicht in diese Richtung lenken werde. Ein tolles Erlebnis war der Lauf allemal.


© Pascal Le Bail. Letzte Änderung: 27. 7. 2004