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10-Stunden-Lauf in Rechnitz, 1. September 2001

Dieser Bericht stammt zur Abwechslung nicht von mir, sondern wurde freundlicherweise von Franz Pöberl zur Verfügung gestellt, welcher im Rahmen dieser Veranstaltung seinen ersten Ultra-Bewerb lief. Vielen Dank dafür!

Vorgeschichte

Immer wieder versuche ich, an meine Grenzen zu gehen, bzw. meine bisherigen Leistungen zu überbieten. Als Jugendlicher wollte ich eine Zeitlang nie vor Mitternacht schlafen gehen. Aber in der Früh mußte ich um 6 Uhr aufstehen. Ein paar Monate hielt ich das durch. Danach machte ich meine erste Ausdauerübung: eine halbe Stunde radeln auf dem Heimtrainer, eine halbe Stunde lernen, eine halbe Stunde lesen, eine halbe Stunde Buchhaltung und in diesem Rhythmus 36 Stunden lang. Von Samstag 6:00 Uhr bis Sonntag 18:00 Uhr ohne Schlafpause.

Später kamen die langen Autofahrten:

Wenn es notwendig war, arbeitete ich ganze Nächte durch oder ich schlief nur ein paar Stunden auf einer Matte neben dem Schreibtisch.

Meine Brüder sind aus dem gleichen Holz und machten ihre Extremversuche auf sportlichem Gebiet: Gerhard lief 1985 den Wien-Marathon ohne jede Vorbereitung. Er erreichte mit einer Zeit von 4:00 das Ziel auf dem Heldenplatz. Ich habe in den Wochen vor diesem Marathon Laufversuche unternommen, weil ich eventuell auch starten wollte. Aber nach 5 km Lauf tat mir mehrere Tage alles weh. Gerhard hat es vor dem Marathon lieber gar nicht versucht, aber er hat den Marathon geschafft!

Gerhard und Hannes fuhren in 20 Stunden bei windigem Wetter mit dem Fahrrad von Freistadt nach Klagenfurt. Sie gaben ihr Letztes. Ein anderes Mal fuhren die beiden mit dem Auto nach Passau. Von dort mit dem Rad nach Wien - mit einem anderen Auto zurück nach Passau und mit zwei Autos wieder nach Ternberg. Wieder eine 34 Stunden Nonstop-Aktion. Innerhalb einer Woche fuhren Hannes und Gerhard mit dem Rad nach Paris. Beim Eiffelturm holte ich sie mit dem Auto ab.

Bei den sportlichen Unternehmungen meiner Brüder konnte ich nicht mithalten. Ich hatte schon in der Schule keine rechte Freude mit Turnen - noch viel weniger mit Fußball. Seitdem ich nur mit dem Auto unterwegs war, hatte ich Gewicht zugelegt und war noch schwächer geworden. Durch meine Bürotätigkeit machte ich nur sehr wenig Bewegung.

1990 brachte mich ein Freund doch zum Laufen. Fritz nahm mich zu seiner 5 km Laufrunde mit. Ich war total geschafft - mehr hätte ich nicht geben können. Am nächsten Tag hatte ich erst recht die Nachwehen von meiner Überanstrengung. Aber ich ließ nicht locker und lief mehrmals wöchentlich mit ihm. Trotz der Anstrengung war es eine schöne Zeit. Eines Tages kaufte ich mir einen Pulsmesser. Das war ein Fehler. Ich stellte die Pulsobergrenze auf 180 ein und es gab keinen flüssigen Lauf mehr. Immer mußte ich den Piepser ausschalten und Fritz wurde beim Laufen kalt. Nachdem ich mir beim Eislaufen eine Knöchelverletzung zugezogen hatte, konnte ich über lange Zeit nicht mehr laufen und unser gemeinsames Laufen löste sich auf.

Aber meine Lust auf Sport war geweckt. Und ich begann mit dem Rennradfahren. Ich steigerte meine jährlichen Kilometer von 3.000 auf fast 9.000 km im Spitzenjahr 1997. Im Monat August (Betriebsurlaub) fuhr ich meist zwischen 1.500 und 2.000 Radkilometer. Ich nahm immer wieder an Radmarathons teil. Zum Beispiel:

Rennradmarathons sind speziell bei Nässe durch das Gruppenfahren und Paßabfahrten etwas gefährlich. Außerdem ist das Training sehr zeitintensiv, da regelmäßig ganztägige Ausfahrten notwendig sind. MTB-Marathons haben nicht meine Vorliebe, da dies doch sehr materialverschleißend ist und ein erhebliches Risiko bei Abfahrten besteht.

In Folge dessen nahm ich meine Radkilometer zurück und verlegte mich mehr auf das Laufen. Die Ausdauer hatte ich mir geschaffen, ich brauchte nur mehr meine Gelenke an die neue Belastung gewöhnen. Jetzt hatte ich auch meinen Puls im Griff und Erfahrung was Trainingssteuerung angeht. Auch meine Familie freute sich auf die Aussicht, daß ich jetzt wieder mehr Zeit zu Hause sein würde. Ich rechne immer nach der Formel "1 Stunde Laufen = 2,5 Stunden Radfahren". Da läßt sich doch Zeit einsparen.

Meine Ziele für das Jahr 2001

Als erstes Ziel wollte ich beim Vienna City Marathon meine bisherige Bestzeit von 3:14:05 auf 3:00:00 verbessern. Dr. Lilge schätzte 3:05:00 als erreichbares Ziel ein. Da dies ein bedeutender Leistungssprung ist, musste ich mein Training auf durchschnittlich 90-100 km pro Woche erhöhen. Auch die Abwechslung zwischen schnellen und langsamen Einheiten wurde genau geplant. Von Jänner bis Mai dieses Jahres sammelte ich fast 2000 Laufkilometer in meinen Beinen.

Am 20. Mai 2001 stand ich voll Erwartung bei herrlichem Wetter am Start beim Vienna International Center. Ich war wirklich gut vorbereitet. Bis zum Halbmarathon war ich hinter meinen Sollzeiten, die ich auf einem Pflaster auf dem Handrücken notiert hatte. Die 21,1 km passierte ich in 1:31:52 und ich war total frisch und angriffslustig. Jetzt konnte ich kontinuierlich beschleunigen. Für den 2. Halbmarathon brauchte ich 1:28:52. Für den 42. Kilometer habe ich eine Zeit von 3:45 (= 16 km/h) gestoppt. Ich war mit 3:00:45 im Ziel und war überrascht, daß ich die letzten 10 km so viel Kraft gehabt hatte. Es war mein schönster Marathon. Diese Leistung ergab den 99. Platz in meiner Klasse und den 408. Gesamtrang von etwa 11.000 Marathon-teilnehmern. Das heißt, daß nur 3,7 % der Läufer schneller waren als ich.

Zwei Wochen nach Wien lief ich den Großglockner-Lauf. Von der Mautstelle Ferleiten auf der Hochalpenstraße zum Fuscher Törl (das Ziel mußte leider wegen der heftigen Schneestürme von der Edelweißspitze herunter zum Fuscher Törl verlegt werden). In der Früh hatte es wenige Plus-Grade und leichten Niederschlag. Im Zielbereich schneite es. Nach dem Start wurden die Schneefälle immer heftiger und nach 2 km hatten wir bereits Schneematsch auf der Straße. Der Schneefall wurde immer dichter, und der Schneepflug machte uns die Straße noch glatter. Ich erreichte das Ziel nach 12,8 km und 1.250 hm in 1:30:31.

Daucher Hermann war schon im Ziel und wartete bereits mit warmem Tee. Ich hatte mir keine Zeitvorgabe gegeben und war mit meiner Leistung zufrieden. Dieser Lauf war einfach ein Abenteuer. Schlimm war nur, daß nachher die Ersatzkleidung fast nicht zu finden war und nirgendwo Platz zum Unterstellen war. Die Gelenkbusse, welche die Läufer wieder ins Tal bringen sollten, durften bei diesen Verhältnissen nicht fahren und es waren kleinere Busse mit Ketten angefordert worden, welche aber erst nach langer Warterei im Schneetreiben eintrafen. Es wurde fast gerauft, wer als erster einsteigen durfte. Aber nach mehrstündiger Autobahnfahrt mit voller Heizleistung im Auto war ich zu Hause doch wieder aufgewärmt.

Mein zweites Hauptziel formulierte ich so: Einmal in meinem Leben möchte ich eine Strecke von 100 km ohne Pause durchlaufen. Als Wettkampf wählte ich den 10-Stunden-Lauf in Rechnitz, der mir vom Termin und von der Dauer am geeignetsten erschien.

Die Vorbereitung auf Rechnitz

Somit war ich geistig auf die Ausdauerleistung programmiert, und es interessierte mich eigentlich kein kurzer Wettkampf und kein Tempotraining mehr. Meine ruhigen Erholungsläufe lagen im Marathontraining bei etwa 12 km/h = 5:00 min/km. Jetzt senkte ich mein Tempo auf schleichende 11 km/h bzw. 5:30 min/km. Dabei lief ich am liebsten in der Finsternis (was im Sommer ja nicht leicht ist), weil ich mich für dieses Tempo fast genierte.

Von Reichraming lief ich einen wunderbaren Trainingsmarathon hinein ins Hintergebirge. Nach 21 km (bei der Hirschkogelkreuzung) machte ich kehrt und lief durch die Tunnels wieder zurück nach Reichraming. Mehrmals lief ich entlang der Ennskraftmeile auf und ab, bis ich 45 km heruntergespult hatte. Ein anderes Mal wieder lief ich nach Garsten und über den Wanderweg zum Rieglwirt, weiter zur Aschacher Höhe bis zur Sandner Linde und nach Hause (36 km und 450 hm). Auch der Steyrtalweg von Grünburg nach Klaus und retour war eine schöne Laufstrecke, auf der mich meine Familie mit dem Rad begleitete.

Danach erhielt ich Tipps von Pascal Le Bail, einem erfahrenen Ultraläufer, der heuer bereits zwei 24-Stundenläufe (191,73 und 181,46 km) absolviert hatte und auch in Rechnitz die 10 Stunden gelaufen ist (darüber später mehr). Seine tolle Homepage hat mich in den Bann gezogen und ich habe aus seinen Erfahrungsberichten gelernt. Er machte mich darauf aufmerksam, daß auch ein Ultraläufer auf das Tempotraining nicht verzichten darf.

Aus dem nächsten Lauf machte ich gleich ein Intervalltraining an der Ennskraftmeile: 3 km aufwärmen, 15 x 1000 m in 4:00 min mit je 1000 m zurücktraben in 6:00 min, 2 km auslaufen. Das ergibt 35 km, wovon 15 km im vollen Renntempo zurückgelegt wurden. Entsprechend müde, aber auch zufrieden fühlte ich mich meinem Ziel wieder ein Stück nähergekommen. Der Halbmarathon in Pregarten (21,1 km mit allerhand Höhenmetern in 1:29:00) zählte auch zu meinen Tempoeinheiten. In Pregarten war ich besonders stolz auf Lukas, der mit 10 Jahren, als mit Abstand jüngster Teilnehmer, die 21,1 km in 2:00 h schaffte.

Mein Laufumfang pro Woche betrug fast jedesmal über 100 km. Meine Arbeitszeit hatte ich mir so eingeteilt, daß ich Mittwoch Nachmittag jeweils die Marathondistanz laufen konnte. Jetzt brauchte ich noch eine "Über-Drüber"-Woche mit 135 km und knapp aufeinander folgenden langen Läufen. Der Familienurlaub mußte dafür herhalten.

Bei der Anreise nach Osttirol besuchten wir zuerst Wörschach, wo gerade der 24-Stunden-Lauf stattfand. Mir taugte die Atmosphäre und ich bewunderte die Läufer bei der großen Hitze. Als Staffelläufer wäre ich sehr gerne mitgelaufen (4 Läufer à ca. 6 Stunden), aber 24 Stunden konnte ich mir nicht vorstellen.

Am ersten Tag in Osttirol lief ich zum Auftakt von Lienz nach Silian. Diese Strecke am Pußtertalradweg ist wunderbar, hat aber fast 500 Höhenmeter. Gabi, Lukas und Thomas begleiteten mich bergauf mit dem Rad. Bergab fuhren wir alle gemeinsam mit dem Rad (ich hatte mein Rad in Silian deponiert). Die Laufstrecke betrug 36 km.

Danach gab es eine super Bergwanderung zur Obstanser Seehütte (980 hm) und eine Familienradtour mit einem Sonderaufschlag für mich - bergauf zurück, um das Auto nachzuholen. Am Mittwoch war wieder ein Lauf am Pußtertalradweg samt Verlängerung mit Radbegleitung angesagt. Laufstrecke 40 km, 500 hm. Um der Familie auch einen Rasttag zu gönnen, machte ich am nächsten Tag alleine eine Bergradtour mit 970 hm zum Hochstein.

Am Freitag durchquerten wir Osttirol von Oberdrauburg bis Silian. Meine Familie am Rad, ich mit Laufschuhen. Fast 50 km bei 34 Grad können ganz schön lang werden. Mit dem Rad fuhr ich wieder zurück zum Auto. Am letzten Urlaubstag machten wir gemeinsam noch eine kräftige Bergwanderung zum "Bösen Weibele". Die intensive Laufwoche hatte ich hervorragend verdaut. Keine besonderen körperlichen Beschwerden.

Zu Hause machte ich dann wieder etwas mehr Tempoeinheiten. Die meisten Läufe hatten zwischen 25 km und 35 km. Beim Schoberstein Tria war ich nur Zuschauer. Die letzten 3 Wochen begann ich mein Training zurückzunehmen. Ich stieg auch wieder ein paar Mal auf das Rad.

Als ich den Laufumfang stark reduziert hatte, wurde ich psychisch sehr labil und unzufrieden. Dazu kam noch die viele liegengebliebene Arbeit während des Betriebsurlaubes. Nichts lief glatt, ich fühlte mich total gestreßt. In der letzten Woche sollte ich mich meditativ auf den Lauf einstellen und viel Gymnastik statt des Laufens machen. Aber ich war sehr unruhig, und mich freute nichts so recht.

Rechnitz

Endlich war es so weit. Am Freitag, den 31. August fuhr ich am Nachmittag mit meiner Familie nach Rechnitz. Knapp vor 19 Uhr erreichten wir den Badesee - die Arena des 10-Stunden-Laufs. Eine Staumauer sperrt das Faludital. Der Badesee ist vom Wald umgeben.

Nachdem ich die Startnummer (Nr. 4) abgeholt hatte, sprach mich Frau Reni Gossi (vom Organisationsteam) mit meinem Namen an und wünschte mir alles Gute für den bevorstehenden Lauf. Sie kannte mich von den Unterlagen, die ich bei der Anmeldung für die Moderation während des Laufes mitgeschickt hatte.

Danach traf ich Pascal Le Bail, den ich bisher nur von seiner Homepage, bzw. vom Schriftverkehr per E-Mail kannte. Pascal hat eine eigene Firma im EDV-Bereich. Seit ein paar Jahren hat er sich ganz intensiv dem Laufen verschrieben. Er ist beinahe jedes Wochenende bei einem Laufwettkampf. Zum Beispiel lief er am

Gemeinsam mit meiner Familie und Pascal machten wir die Streckenbesichtigung und drehten die erste Runde um den Badesee. Die 1.173 m lange Runde ist sehr idyllisch gelegen, beinhaltet aber doch einen kurzen, kräftigen Anstieg. Im Laufe von zehn Stunden kommen da viele Höhenmeter zusammen. Danach nahmen wir als Abendessen ein Nudelgericht zu uns und kehrten zum Quartier zurück. Jetzt wurde ich ruhiger und schlief ganz gut.

Am Samstag, den 1. September wurde ich auch ohne Wecker rechtzeitig wach und begann meine Füße mit Leukoplast abzukleben. Auch die Brustwarzen klebte ich ab, und alle anderen empfindlichen Stellen rieb ich mit Hirschtalg ein. Das Frühstück bestand aus einem Weckerl mit Marmelade und einem Weckerl mit Käse. Dazu trank ich Tee. Die Energie für die 100 km muß der Körper schon in sich haben. Da nützt das Frühstück nichts mehr.

Eine Stunde vor dem Start fanden wir uns im Startbereich ein. Das Wetter war eigentlich optimal und es sollte den ganzen Tag super bleiben, obwohl es sonst in fast ganz Österreich regnete. Um 8.45 Uhr wurden die Läufer kurz vorgestellt. Einmalig war, daß bei einem Ultra-Lauf mit 24 Einzelstartern drei Brüder am Start waren. Christian Ulreich, der Vorjahres-Sieger, der auch heuer wieder gewinnen sollte, war einer der drei.

Dann wurden wir mit den Rundenzählern bekanntgemacht. Je zwei Rundenzähler waren für fünf Läufer zuständig. Meine Rundenzähler, deren Namen ich leider schon wieder vergessen habe, waren voll super. Sie feuerten mich so nett an. Eine Gedenkminute vor dem Start erinnerte uns an einen Läufer der letztes Jahr dabei war, aber heuer nicht mehr lebt.

Wir nahmen Aufstellung hinter den Zeitmeß-Matten. Den Staffelläufern ließen wir gerne den Vortritt. Heuer waren 36 Staffeln am Start; die meisten Staffeln bestanden aus vier Läufern, es waren aber auch zwei Zweier-Staffeln dabei, deren Läufer je fünf Stunden laufen mußten. Es gab getrennte Wertungen für Männer-, Frauen- und Mixed-Staffeln. Pünktlich um 9:00 Uhr erfolgte der Startschuß. Wir wollten ja auch wieder pünktlich um 19:00 Uhr aufhören.

Der 10-Stunden-Lauf

Am Anfang gilt es einmal das Tempo zu finden. Ich habe eine Sollvorgabe von 6:40 min pro Runde für die ersten 5 Stunden, danach kann ich mich langsam auf 7:00 min je Runde zurückfallen lassen um die 100 km in 10 Stunden zu erreichen.

Die ersten Stunden sind sehr angenehm zu laufen. Ich bin ein bißchen schneller als geplant, aber ich will mich nicht noch mehr zurückhalten. Der freundschaftliche Kontakt zu den Rundenzählern, die Moderation durch Hrn. Dr. Gossi, die Anfeuerer entlang der wunderbaren Strecke, meine Familie mit Getränken, alles zusammen, bringt mich in Hochstimmung.

Ich genieße die Runden: Langsam den Berg hinauf, am Buffet vorbei, den gepflasterten Weg entlang, links der Blick über den See, hier kann auf das Gras ausgewichen werden, eine kleine Erhöhung über die Holzbrücke, auf dem Pflaster weiter zur Labestelle, Schwamm eintauchen, vorbei an der Gruppe, die jeden Läufer mit Namen und Lautsprecherverstärkung anfeuert, links 2-3 Schritte am Schotterübergang zur Straße, rechts der Spielplatz, jetzt wieder zurück entlang des Sees, die Straße hat einige Unebenheiten, rechts befinden sich Betreuer und nette Schlachtenbummler, etliche Aufmunterungstafeln wie "weiter so" oder "flotte, geile Beine", dann kommt die Talfahrt und auch entlang der Wechselzone zieht es noch bergab, auch von den Staffelläufern bzw. deren Betreuern werden wir angefeuert, jetzt geht es ums Eck, eine leichte Steigung und zwei Mal piepst es beim Überlaufen der Chipmatten, durch den Zielbogen durch, und jetzt winken schon die Rundenzähler, aufgepaßt was Hr. Gossi bzw. der Rennleiter zu sagen hat; dann nehme ich meiner Frau Gabi das Getränk bzw. den Bissen Essen aus der Hand, "alles o.k." und jetzt geht es wieder den Berg hinauf. Jetzt nur noch 88 mal wiederholen.

Nach zwei Stunden fühle ich mich gut, nach vier Stunden kommen die Probleme mit den Hüften. Genau wie im Training. Die Marathondistanz liegt hinter mir, aber der Puls ist von 135 auf über 150 angestiegen. Inzwischen ist mir die Steigung schon lieber als die Gefällestrecke. Jedes Bergab bringt zusätzliche Schmerzen in der Hüfte und in den Knien. Pascal sehe ich immer nur gegenüber auf der anderen Seite des Sees. Wir haben das selbe Tempo. Das Wetter paßt super - ein paar Tropfen Niederschlag, dann blinzelt sogar die Sonne heraus.

Die Stunden ziehen dahin, ich beobachte die Wolkenformationen und wie der Nachmittag die Schatten wandern läßt. Zu jeder vollen Stunde gibt es eine Zwischenwertung, und ich rücke kontinuierlich nach vor. Eine kleine Portion Mohnnudeln während des Anstiegs war ein Leckerbissen. Ab und zu nehme ich eine andere Kleinigkeit zu mir. Aber jetzt bringe ich nichts mehr hinunter. Ich bringe das Stückchen Müsliriegel beim nächsten Durchgang wieder zurück.

Die körperlichen Beschwerden sind da, aber ich kann sie unterdrücken. Unruhig werde ich, als der Puls nach der Steigung jedesmal auf 170 bis 180 ansteigt und ich nur durch etwas Verringerung meines Tempos wieder auf 160 zurückkomme. Ich will meine Rundenzeiten nicht verschlechtern. Aber kann ich nach sieben Stunden noch drei Stunden mit Puls 175 laufen? Jetzt beginne ich langsam Zeit gegenüber Pascal zu verlieren. Zweifel: Ist bei mir jetzt der Ofen aus?

Noch nie in meinem Leben bin ich vorher in einem Stück so weit gelaufen. Wenn ich schon einen persönlichen Rekord aufstelle, muß ich das Maximum herausholen. Zwei Stunden sind noch zu laufen. Zwei Marathons habe ich hinter mir, einen halben noch vor mir. Was sind zwei Stunden im Vergleich zu einem ganzen Leben. Die drücke ich jetzt durch. Meine Rundenzähler warten ja auch auf mich, Sie freuen sich jedesmal wenn ich vorbeikomme. Ich kann sie nicht enttäuschen und langsamer werden oder gar aufgeben.

Wer weiß ob ich ein zweites Mal die Chance auf 100 km habe. Wofür bin ich bis zu zwei Marathons pro Woche gelaufen, wenn ich jetzt nachgebe? Christian Ulreich und Martin Petermann laufen jetzt gemeinsam. Inzwischen bauen Sie ihren Vorsprung nicht mehr aus. Ich habe das selbe Tempo. Auch Franz Urbanich und Pascal Le Bail haben ein ähnliches Tempo. Ich liege auf dem 4. Platz. Jetzt schaue ich bei jeder Runde auf die Uhr mit der Gesamtzeit. Auf das Rundenzählen bzw. das Kilometer-Rechnen kann ich mich nicht mehr konzentrieren. Die Zeit vergeht jetzt sehr langsam.

Nach neun Stunden fühle ich mich wieder stärker. Jetzt kann ich meine Rundenzeiten wieder ein klein wenig verbessern. Pascal ist nur eine drittel Runde hinter mir, aber jetzt will ich mich nicht mehr geschlagen geben. Christian Ulreich und Martin Petermann sind fünf Runden vor mir, Franz Urbanich ist drei Runden vor mir. Die letzte Stunde vergeht relativ schnell, und mir geht es wieder besser.

Nach 9:37:50 Stunden habe ich 100 km geschafft. Ich bin wieder in bester Stimmung. Fast glaube ich, ich könnte noch viel weiter laufen, laufen, laufen,... Aber es dauert nur mehr 20 Minuten. Bei der letzten Runde laufen Lukas und Thomas mit. Sie haben das Holzbrettchen mit der Startnummer, welches exakt dort niedergelegt wird, wo ich mich beim Knall des Schusses um 19:00 Uhr befinde. Die Reststrecke wird vermessen. Meine zurückgelegte Strecke: 103,898 km. Ich war nur 375 m vor Pascal.

Zuerst wird den nächstgelegenen Läufern gratuliert, und dann gehen wir zum Start/Ziel-Bereich. Die Dusche unmittelbar nach dem Lauf ist ein Hit. Danach gehe ich mit meiner Familie eine halbe Stunde spazieren, und ein wenig Gymnastik tut dem Körper gut.

Mein Ziel habe ich erreicht. Ich bin sehr zufrieden. Es hat alles wunderbar zusammengespielt. Es brauchte

Ein herzliches Danke den Rundenzählern und auch besten Dank für die Verpflegung.

Ergebnis

Als wir zur Siegerehrung fuhren, standen wir plötzlich vor dem Grenzschranken nach Ungarn. Das Gasthaus Mandl war ein paar hundert Meter davor. Jeder Teilnehmer erhielt vom Organisationsteam ein Blumenstöckerl und eine Flasche Wein. Die Sieger wurden mit Rechnitzer Wein aufgewogen.

1. PlatzChristian Ulreich111,458 km
 Martin Petermann111,458 km
3. PlatzFranz Urbanich108,502 km
4. PlatzFranz Pöberl103,898 km
5. PlatzPascal Le Bail103,523 km
6. PlatzErich Gollner99,566 km
7. PlatzDietmar Ulreich98,242 km
8. PlatzKurt Ulreich97,680 km

Bei den Frauen siegte Alexandra Lahner mit 90,344 km vor Christine Illetschko mit 76,566 km.

Die beste Staffel war die "Flinke Horde" mit 163,088 km. Das sind unglaubliche 16,3 km/h über zehn Stunden auf vier Läufer verteilt. Aber auch viele andere Staffeln haben hervorragende Leistungen gebracht.

Die Nachbetrachtung

Jeder Läufer hatte mit Beschwerden zu kämpfen. Nach der Siegerehrung fiel jedem Teilnehmer das Stiegensteigen schwer.

Die Atmosphäre war einfach herzlich. Es wurde alles getan, um eine gelungene Veranstaltung zu gewährleisten. Die Organisatoren und Helfer waren mit echter Begeisterung dabei. Das Publikum unterstützte nicht nur die eigenen Läufer, sondern jeder wurde vom Publikum gefeiert.

Am Tag nach dem Lauf spürte ich meinen Körper schon sehr deutlich, und der Ruhepuls war viel zu hoch. Am zweiten Tag waren die Beschwerden nur mehr gering und am dritten Tag fühlte ich mich wieder recht wohl. Ein kurzer Regenerationslauf tat mir schon wieder gut. Im Laufe der Woche waren alle Nachwirkungen verschwunden und es blieb mir nur mehr die überaus positive Erinnerung.

Eigentlich träumte ich schon wieder von der Teilnahme im nächsten Jahr, und auch ein 24-Stunden-Lauf schien mir nicht mehr unmöglich. Aber da beginnt jetzt meine Krise:

Es hat enorme Kraft und viel Diskussion mit meiner lieben, verständnisvollen Frau gekostet um mich zur Einsicht zu bringen:

Ich habe meine derzeitigen Ziele erreicht, es ist nicht sinnvoll die Ziele noch höher zu stecken. Am 30. September 2001 laufe ich den Berlin-Marathon zum Genuß ohne mir ein Zeitlimit vorzunehmen. Danach laufe ich nur mehr zur Erholung und zur Freude. Laufen soll mir keinen Druck mehr machen. Mein Ziel mit 100 Marathons ist außer Kraft gesetzt. Ich laufe nur einen oder maximal zwei Marathons pro Jahr und stelle dabei keine neuen Rekorde auf.

Auf der einen Seite freue ich mich auf mehr verfügbare Zeit, auf der anderen Seite ist es ein schwerer Verzicht, und ich bin den Tränen nahe. Aber der Sport soll bei mir zukünftig keinen so hohen Stellenwert mehr haben.

Ternberg, 9. September 2001          Franz Pöberl


© Pascal Le Bail. Letzte Änderung: 27. 7. 2004